4gewinnt Improtheater Braunschweig

Werwölfe auf Madagaskar und das Stück: Der Kaiser von Syrien als Appell am Vorabend der Trump-Wahl

Gestern Abend war der erste von drei Götter-Helden-und-Dämonen-Abenden im KULT. Thomas und Fabian mit Musik von Matthias zeigten 2 epochale Hälften – teilweise mit erschreckend aktuellem Bezug:

In der ersten Hälfte leitete das Publikum die Geschichte nach Madagaskar. Seit 2600 Jahren besteht die Tradition eine Prozession zum heiligen Berg Patemgo zu führen. Das darf nur eine Jungfrau über 18 Jahren, die im Besitz des Auges von Patemgo, einem besonderen Stein, ist. Eigentlich ist Horst, ein vor 35 Jahren gestrandeter, vollintegrierter Deutscher dazu auserkoren, doch ist er nicht im Besitz des Auges von Patemgo. Dieses besitzt derweilen Julien, dieser ist leider erst 17 Jahre. Doch dessen Meister, der Julien als Waisen groß zog, verfolgt einen teuflischen Plan. Er fälscht die Ausweismuschel von Julien, so dass er 18 auf dem Papier ist. Und dieser soll die Prozession nicht zum Berg Patemgo führen, sondern an den Strand, wo er alle 150 Ureinwohner Madagaskars zum Bau einer Muschelfabrik für den Export versklaven will. Julien ist hin- und hergerissen, soll er die Tradition erhalten oder den Auftrag seines Meisters erfüllen? Doch der Meister bereitet den Weg: Er lässt Horst in der Nacht vor der Prozession ermorden und in eine Höhle am Patemgo werfen. Nun ist der Weg frei, Julien offenbart sich ganz nach Plan dem Volk als 18, Jungfrau und Träger des Steins – das Volk folgt ihm. Er entscheidet sich für die Tradition und führt das Volk auf den Patemgo. Der Meister wütet. Doch es kommt noch von schlimmer. Denn die Tradition kennt auch eine Weissagung: Führt ein Unwürdiger die Prozession, wird er sich in einen Werwolf verwandeln. Dies geschieht: Horst sucht die Prozession als Werwolf heim, denn er hatte den Stein nicht. Julien verwandelt sich in einen Werwolf, denn er ist erst 17 Jahre alt. Beide vollenden die Legende und töten alle Einwohner in einem Blutrausch. Nur der Meister bleibt zurück, er hatte an das große Geld geglaubt und bekommt von der Tradition die Einsamkeit geschenkt.

In der zweiten Hälfte wurde per Zufall das Stück „Der Architekt und der Kaiser von Syrien“ (L’Architecte et l’empereur d’Assyrie) von Fernando Arrabal vom Publikum aus dem Reclam Theaterführer bestimmt. Der marokkanische Schriftsteller lässt den Kaiser von Syrien auf einer einsamen Insel abstürzen auf der lediglich ein kultur- und sprachloser Architekt lebt. Ab hier beginnt 4gewinnt das Stück zu entwickeln. Dem Kaiser werden vom Architekten die Insignien der Macht, der Ring, der rote Umhang und die Kleider abgenommen. Es wird aus dem Kaiser ein Mensch in Unterwäsche gemacht. Der Kaiser fordert weiterhin als Kaiser behandelt zu werden. Der Architekt fordert den Kaiser auf mit ihm gemeinsam an einem Haus zu bauen. Der Kaiser lehnt ab, ein Kaiser verrichtet keine Arbeit. Ein Tuch fällt von der Decke der Bühne über den Kaiser, der Architekt zieht es ab und dem Kaiser sind Eselsohren gewachsen. Nach der Vermenschlichung des Herrschers folgt somit der Bezug auf den evolutionären, tierischen Ursprung seines Seins. Der Kaiser fordert weiterhin als Kaiser behandelt zu werden. Der Architekt bestimmt weiterhin über die Existenz des Kaisers, der nun Hunger leidet – wie Mensch und Tier nur noch auf das grundlegendste Bedürfnis reduziert. Doch ohne Mitarbeit kein Essen. Geführt in die normale Existenz fleht der Kaiser um Erlösung durch Abtritt aus dem Leben durch den Architekten, der dann auch vollstreckt. Die Metapher auf das Ende des Kaisers auch durch wortlose Architekten ist vollendet. Das Stück thematisiert vollständig ohne Worte auf Seiten des Architekten und einem umso mehr herablassend-sprechenden Kaiser, dass jede Macht auf Erden nur durch das Verhalten der anderen Menschen geliehen, geduldet und legitimiert wird. Auch ein einfacher Architekt ist mächtig den Kaiser nicht Kaiser sein zu lassen. Ein Fingerzeig am Abend vor dem Wahlsieg eines Kaisers in den USA. Was für eine Aufforderung dann am Ende des Stückes ein Lied an das Publikum zu richten: Du bist der Architekt. Vorhang. Applaus.



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